
In den späten fünfziger Jahren dachte man bei Bristol über einen Nachfolger des Arnolt-Bristol-Sportwagens nach. Zu Testzwecken wurde ein Zweisitzer gebaut, der erst mit dem vom BMW 328-Motor abgeleiteten Zweiliter und später mit einem Chrysler-V8 ausgerüstet wurde. Der Wagenkörper war, der Flugzeugtradition von Bristol folgend, sehr aerodynamisch und mit exponierten Heckflossen ausgelegt. Das Konzept nahm die Idee eines leichten englischen Roadsters, der mit US-V8-Technik gepaart wird und so außergewöhnliche Leistungsdaten zu erschwinglichen Preisen ermöglicht, lange vor ACs Cobra und Sunbeams Alpine Tiger auf.
Ähnlichkeiten zum 1954 vorgestellten Volvo Sport waren nicht zu übersehen. Allerdings paßte der Roadster nicht in die Bristol-Philosophie des stilvollen Reisens, daher kam eine Produktion des Wagens nicht in Betracht, man gab der Entwicklung des Bristol 407 den Vorzug. Der Sportwagen-Prototyp wurde allerdings als Versuchsträger und Testfahrzeug bis weit in die siebziger Jahre weiterverwendet, um dann unter einer Plane in einer Ecke der Fabrik zu verschwinden.

Als man Ende der neunziger Jahre bei Bristol begann, über neue Fahrzeuge nachzudenken, schlug einer der alten Mitarbeiter vor, erst einmal einen Blick auf den Altbestand im Hinterhof zu werfen. Das verhalf dem Prototyp zu neuem Leben, er wurde restauriert und begeisterte alle, die ihn seither fahren durften, durch seine nachdrückliche Leistungsabgabe, sein skurriles Aussehen, sein gutes Fahrverhalten und den überraschenden Komfort. Die Entdeckung eines alten Roadsters in einer Ecke der Entwicklungsabteilung würde bei jedem anderen Autohersteller nur den Museumsfundus bereichern. Bei Bristol war das jedoch Anlass, eine Neuinterpretation des Themas mit der aktuellen Fahrzeugtechnik zu versuchen.
Das Ergebnis ist ein Auto im Retrolook nach Bristol-Lesart: Das Außendesign folgt dem Originalentwurf mit geringen Änderungen, innen dominiert der gediegen-unspektakuläre Stil des Blenheim. 350kg Gewichtsvorteil gegenüber der Limousine lassen erwarten, daß der Blenheim Speedster im Hause Bristol neue Maßstäbe in Agilität und Fahreigenschaften setzt. Ausreichend Platz im Kofferraum erlauben auch, für einen Wochenendausflug von England nach Italien angemessen Gepäck verstauen zu können. Die niedrige Speedster-Windschutzscheibe schränkt die Reisetauglichkeit aber etwas ein. Der 136-Liter-Tank kann durch zwei Verschlüsse im Stil alter Rennwagen gefüllt werden, bei einer Beschleunigung von 0 auf 100km in etwa fünf Sekunden und einer Spitzengeschwindigkeit von knapp 260km/h ist er auch schnell wieder leer.
Wer an einem dieser exzentrischen Speedster interessiert war, musste sich beeilen. Nur zwölf bis 15 Stück davon sollten gebaut werden, an eine reguläre Produktion war nicht gedacht. Der normale Bristolkunde musste sich entweder mit der Blenheim-Limousine oder dem Fighter-Coupé zufrieden geben. Zum Fahrzeugpreis von € 229.570 kamen noch die Reisekosten nach London hinzu, denn der Wagen war nur im Ausstellungsraum 368/370 Kensington High Street, London W14 8NI zu sehen und zu bestellen, getreu dem Bristol-Motto: We have no distributors or dealers at all. Please contact us direct.

Fotos: Bristol Ltd./Text: Rainer Roßbach