
Als die Corvette C2 1963 auf den Markt kam, bot sie mit ihrem 5,3-Liter-Small-Block-V8, rund 360 PS Leistung, einer modernen Einzelradaufhängung an allen vier Rädern und ihrer leichten Glasfaserkarosserie eine technisch beeindruckende Basis. Genau diese Plattform nutzte Tom Tjaarda, der aus Detroit stammende Designer, der bereits seit Ende der 1950er Jahre über Ghia und Fiat seinen Weg nach Italien gefunden hatte und 1962 zu Pininfarina wechselte.
Nach ersten Arbeiten wie dem Chevrolet Corvair Coupé entwarf Tjaarda für den Pariser Salon 1963 die Corvette „Rondine“, ein Einzelstück, das die amerikanische Technik in eine klar europäische Formensprache übersetzte. Charakteristisches Merkmal dieser Interpretation ist die filigrane, leicht gebogene Seitenlinie, die sich über dem hinteren Radlauf zu einem skulpturalen Bogen spannt und am Heck spitz ausläuft. Die Front übernimmt dieses Motiv: Über der markanten Charakterlinie liegen die Klappen der halbabgedeckten Scheinwerfer, darunter ein schmaler Kühlergrill mit horizontal angeordneten Chromlamellen.
Technisch blieb die Rondine der Corvette C2 treu, doch optisch transformierte Tjaarda das US-Sportcoupé in eine elegante Gran-Turismo-Vision, die in Italien ebenso selbstverständlich wirkte wie in Detroit ungewöhnlich. Bemerkenswert ist auch das helle, großzügig verglaste Interieur, dessen weiße Ausstattung und hintere Panoramascheibe eine Leichtigkeit erzeugen, die im Segment der amerikanischen Muscle-Cars selten zu finden war. Für Fans klassischer US-Power war der Entwurf zu sanft, weshalb es bei diesem einen Exemplar blieb. Seine Linienführung lebte jedoch weiter: 1966 kehrten die stilistischen Ideen im Fiat Spider zurück, der bis 1985 fast 200.000 Mal gebaut wurde.
Die originale Rondine verblieb bis 2007 in der Pininfarina-Sammlung, bevor sie Anfang 2008 in Scottsdale, Arizona, für 1.600.000 US-Dollar versteigert wurde – ein deutlicher Beleg für ihre historische und gestalterische Bedeutung.
Fotos/Text: Rainer Roßbach
