Vivant 77, 1965

Concorso d’Eleganza Villa d’Este 2019

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Vivant 77: Sechsliter-V8, 405 PS (1965)

Vivant 77: Sechsliter-V8, 405 PS (1965)

Am Ende steht immer die Frage, warum genau diese feine Karosse beim renommierten Concours d’Elegance am Comer See das Spiel gewonnen hat. Aktuell war es ein Alfa Romeo 8C 2900B von 1937 im subtil geschneiderten Touring-Kleid. Kompetente Juroren und ein empfindsames Publikum wählten den eleganten schwarzen Italiener zum allerschönsten aller Automobile, genau wie schon zuvor am kalifornischen Pebble Beach und in Paris. Zweifellos ein verdienter Sieg.

Den Flaneur in diesem Kosmos des Einzigartigen berührt das wenig, er kann dem eigenen Geschmack folgen – denn bei diesem vielseitig und spannend kuratierten Wettbewerb ist die Frage nach dem ultimativen Wagen letztlich ohne Sinn. Es sind viele wunderbare Fahrzeuge, alle auf eigene Weise einzigartig, und die Auswahl zum Jubiläums-Concorso – 1929 wurde er erstmals ausgerichtet– war dieses Jahr besonders spektakulär.

So der amerikanische Vivant 77, den sich der Pontiac-Designer Herb Adams 1965 geschneidert hat. Bertones legendärer BAT 7 stand unverkennbar Pate und wurde doch gewandelt in einen typisch amerikanische Hot-Rod – in elegantem Türkis und vollkommen harmonisch im Design. 

Abarth 205 Sport 1100 Ghia, 1953

Abarth 205 Sport 1100 Ghia, 1953

Auch der der hellgraue Abarth 205 Sport 1100 Ghia aus dem Jahr 1953 ist so ein Unikat. Als einer von Carlo Abarths Erstlingen ist er auf Cisistalia-205-Plattformen entstanden, die er nach dem Ausscheiden aus der Firma übernommen hatte. Das Coupé mit der prägnanten „Bulletnose“ wurde bei Ghia eingekleidet und mit  Fiat 1100-Technik bestückt – und war so teuer, dass er den Ferrari 166 mit V-12-Motor im Preis weit übertraf.

Gyro-X, 1967

Nur zwei Räder dagegen genügten dem Gyro-X vom Lane Motor Museum im amerikanischen Nashville, um das Publikum zu begeistern. 1967 entwickelte Ford-Designer Alex Tremulis den Einsitzer. Technischer Clou war ein Kreiselstabilisator, der den Wagen in der Balance halten sollte. Dieser erwies jedoch als so wenig zuverlässig, dass die Entwicklung zum Erliegen kam. Es blieb beim Einzelstück, das vom Museum in Tenessee mit großem Aufwand technisch instandgesetzt und fahrbereit gemacht wurde.

Lamborghini Marzal, 1967

Wenn man über Automobildesign spricht, muss man von Italien reden. Ab den späten 1940ern bis weit in die Neunzehnsiebziger entstanden hier große Meisterwerke, die zum besten gehören, was je auf vier Räder stand. Der Schweizer Sammler Albert Spieß zeigte sein vollständig restauriertes Lamborghini-Schaustück „Marzal“ mit gehälftetem Miura-Motor, großflächigem Glas, Flügeltüren und silberner Lederausstattung, das 1967 vor dem monegassischen Grand Prix seine Runden drehen durfte. Der Amerikaner James Glickenhaus dagegen brachte Pininfarinas Antwort auf den Lancia Stratos von Bertone an den Comer See, mit dem der legendäre Designer Marcello Gandini 1970 die automobile Welt schockierte. Paolo Martin zeichnete Pininfarinas Konter noch im gleichen Jahr. Der weniger als einen Meter hohe „Modulo“ auf der Basis des Zwölfzylinder-Ferrari-Rennwagens 512S ist einer der spektakulärsten Entwürfe seiner Zeit. 

Ferrari 512S Modulo (Pininfarina, 1970)

Italien meint aber nicht nur Revolution, sondern auch aufs feinste abgestimmtes Design, wie etwa beim Fiat Abarth Monomille GT des japanischen Sammlers Shiro Kosaka, dem kleinen Seat 750 GT des spanischen Narrdi-Ablegers, dem OSCA MT 1500 aus der Werkstatt von Morelli oder dem gradlinig-eleganten SIATA 208S von Motto.

Seat 750 GT „Nardi“, 1964

Viel zum Entdecken beim Concorso also, mit einer besonderen Überraschung von BMW. 1970 präsentierte Bertone auf dem  Genfer Salon die Studie „Garmisch“ auf Basis des BMW 2002 ti. Chefdesigner Marcello Gandini hatte, um das Designstudio wieder bei den Münchnern ins Gespräch zu bringen,  ein Mittelklasse-Coupé gestaltet, das die Formensprache von BMW dynamisch weiterentwickelte. Mit dem kantigen Kühlergrill, den rechteckigen, verglasten Scheinwerfern sowie der wabenförmigen strukturierten Blende auf der Heckscheibe zog der Garmisch die Aufmerksamkeit auf sich.

Später blieb der Wagen verschwunden, Originaldokumente gab es nicht mehr und nur einige wenige Fotografien blieben übrig. Auf dieser schmalen Basis und mit der Hilfe von Gandini machten sich die Bayern daran, den Wagen neu entstehen zu lassen und damit eine Lücke in der eigenen Geschichte zu schließen.

BMW „Garmisch“ (Bertone, 1970)

Fotos: Rainer Roßbach/Text: Rainer Roßbach