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Jochen Mass: Eine deutsche Rennsport-Ikone

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Die beiden Formel 1-Reporter-Legenden Achim Schlang und Hartmut Lehbrink sowie der bekannte Motorsport-Fotograf Ferdi Kräling haben zusammen mit Jörg-Thomas Födisch, Nils Ruwisch sowie Rainer Rossbach in der prova edition den Bildband „Jochen Mass –Eine deutsche Rennsport-Ikone“ veröffentlicht. Neben den Motiven der Bildagentur Kräling stammen weitere Aufnahmen aus dem Archiv von Bernard und Paul-Henri Cahier, aus den Sammlungen von Nils Ruwisch, Prof. Dr. Peter Schroeder, Franz Turnwald, Willi Weber, Björn Schlichting, Manfred Kistermann, Helmut Wittwer, Jochen von Osterroth sowie aus der Kollektion der Familie Mass. Das Vorwort schrieb Hans-Joachim Stuck. Rainer Roßbach hat das Buch gestaltet.

Das großformatige Buch zeichnet die Geschichte des am 30. September 1946 im bayrischen Dorfen geborenen und in Mannheim aufgewachsenen Jochen Mass nach, der im Anschluss an die berufliche Laufbahn – als Seemann der Handelsmarine – seine Motorsport-Karriere bei Bergrennen begann. Mass: „Ich liebte Bergrennen, weil ich von Anfang an mit Vollgas fuhr. Diese Rennen sprachen drei meiner Sinne an: sehen, hören, riechen. Es machte Klick, nachdem ich beim Mannheimer Alfa-Händler Helmut Hähn eine Stelle als Mechaniker bekommen hatte. Ich brauchte aber ein Jahr, bis ich ihn überredet hatte, dass er mich bei einem Bergrennen in Eberbach fahren ließ. In einer serienmäßigen Giulia-Limousine wurde ich Zweiter hinter einem renntauglichen Auto.“

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Großer Preis der Tourenwagen, Nürburgring 1969 (© Björn Schlichting)

Nach anfänglichen Erfolgen im Alfa Romeo GTA zu Beginn seiner Karriere gewann Mass 1971 als Werksfahrer für Ford Deutschland im Capri 2600 RS die Deutsche Rundstrecken-Meisterschaft.

Rainer Braun, bekannter Motorsport-Moderator, Streckensprecher, Journalist und Buchautor, blieben die Jahre von Mass in Köln unvergessen: „Als neuer Ford-Werkspilot für den Capri 2600 RS war er aus Mannheim zugezogen. Fast täglich kam er auf einen Kurzbesuch bei mir in der Redaktion der „Auto Zeitung“ vorbei. Jochen und ich kannten uns nämlich schon länger aus gemeinsamen Tourenwagen-Tagen – er fuhr einen Alfa GTA (MA – JM 555) für den Rennstall seines Freundes und Förderers Helmut Hähn und ich einen BMW 2002 für Koepchen. Schon um diese Zeit stand für mich fest, dass mit Jochen ein Supertalent heranreift.“  

Im gleichen Jahr fand Mass den Weg in den Formelsport – der Sprung in einen Monoposto (einsitziger Rennwagen) gelang ihm eindrucksvoll: „Ich saß noch nie in einem solchen Wagen, nicht einmal in einem Kart, aber im Frühjahr 1971 besorgte mir ein Freund einen Formel Super Vau. Ich gewann am Ostermontag in Thruxton und im Rahmenrennen zum deutschen Grand Prix auf dem Nürburgring.“

Rainer Braun ergänzt: „Jochen Mass lieferte im Super V-Rennen vor dem F1-GP sein Meisterstück ab, als er seinen Verfolgern innerhalb von sechs Runden rund 20 Sekunden davonfuhr und als stolzer Sieger auf dem Podium stand.“ 

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Formel Super V Kaimann von 1971, Jochen Mass (© Bildagentur Kräling)

Mass: „Ich nahm in dieser Saison an mehreren Rennen der Super Vau teil und kam in der Gesamtwertung im Formula Super Vau Gold Pokal auf den sechsten Platz.“

Die nächste Sprosse auf der Karriereleiter war die Formel 3. Mass erfüllte alle Erwartungen und kreuzte die Ziellinie bereits im vierten F3-Rennen als Sieger. Nicht zuletzt, da er auch Hilfe von Motorsport-Manager Jochen Neerpasch bekam, der für ihn einen Brabham BT35 „an Land zog“. Bemerkenswert waren die F3-Erfolge von Mass vor allem deshalb, weil er auf der Insel gegen starke heimische Konkurrenz kämpfte, die mit jedem Detail der teils extrem anspruchsvollen englischen Circuits vertraut war. Mass erinnerte sich: „Ich trat gegen Jody Scheckter, James Hunt, Roger Williamson und Dave Walker an, erreichte einige gute Plätze und siegte in Castle Combe nach einem harten Kampf mit Jody. Das hat mich bekannt gemacht.“

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1972, F3 in Monaco, Jochen Mass (© Bildagentur Kräling)

In Monaco sorgte Mass erneut für Schlagzeilen: „Mit meinem Werks-March F3 startete ich zum ersten Mal in Monte Carlo. Von 70 Teilnehmern qualifizierten sich 40 für die Vorläufe und die besten zehn Fahrer jedes Laufes kamen ins Finale. In der letzten Runde meines Vorlaufs war ich nur Zwölfter, ich musste unbedingt in den Endlauf kommen. Der Typ vor mir dachte das Gleiche, er wollte an mir vorbei, ich traf sein Hinterrad, flog über seinen Wagen und verbog mir bei der Landung die Aufhängung, überquerte die Ziellinie aber noch als Zehnter. Somit stand ich in der letzten Startreihe. Obwohl es stark regnete, überholte ich in der ersten Runde acht Autos und war schon auf Platz vier, als sich in Mirabeau ein paar Autos vor mir verhedderten. Ich musste abrupt stoppen, als plötzlich einer den Rückwärtsgang einlegte und über meinen Frontspoiler fuhr. Am Ende wurde ich noch Siebter.“

1972 gewann Mass gemeinsam mit Hans-Joachim Stuck im Ford Capri 2600 RS die „24 heures de Francorchamps“ und holte sich mit Gesamtsiegen – im gleichen Ford Capri – bei der Silverstone TT, in Monza, Zandvoort sowie in Jarama den Tourenwagen-Europameister-Titel vor seinen Teamgefährten Dieter Glemser und Gerard Larrousse. 

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Jochen Mass, Surtees Formel 2 in Hockenheim 1973 (© Bildagentur Kräling)

1973 hieß der Vizemeister in der Formel 2-Europameisterschaft Jochen Mass auf Surtees: „Johns F2-Autos waren sehr gut. Ich gewann zwei Läufe, obwohl wir den Ford-Motor hatten, als der BMW das Maß aller Dinge war.“ Danach war Mass bereit für die Formel 1, auch im Team von John Surtees. Der mehrfache Motorrad-Weltmeister und F1-WM-Ex-Champion (1964 auf Ferrari 158) war bereits 1970 als Konstrukteur und Teamchef mit seinem neu gegründeten Rennstall „Brooke Bond Oxo Team Surtees“ in die Automobil-Weltmeisterschaft eingestiegen. 

Die Grands Prix-Einsätze bei Surtees blieben für Mass aber ohne Erfolg. Er sagte rückblickend: „Das Surtees-Team hatte für die Formel 1 zu wenig Geld, die Autos waren hoffnungslos unterlegen und dann kam manchmal auch noch Pech dazu. Ich stand mehrmals kurz davor, alles hinzuschmeißen. In Monaco weigerte ich mich, weiter zu fahren, weil ständig etwas brach. Als man auch noch mit zweifelhaften Methoden versuchte, mich für eine dritte Saison an Surtees zu binden, drohte ich mit einem Boykott. Ich wollte woanders hin.“

1974 wurde Jochen Mass Werksfahrer bei McLaren.

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Jochen Mass, GP Spanien 1977 (© Bildagentur Kräling)

Seinen einzigen Grand Prix-Sieg feierte er für das Team aus Colnbrook am 27. April 1975 im Montjuïch Park von Barcelona – in dem Rennen, dass durch den tragischen Unfall von Rolf Stommelen im Hill-Ford GH1 nach 29 Runden abgebrochen wurde.

„Es war verrückt“, erinnerte sich Mass: „Die FIA hätte dieses Rennen niemals ohne korrekt montierte Leitplanken zulassen dürfen. Ich hatte keine Freude an meinem ersten F1-Erfolg, da ich glaubte, dass ich in Zukunft noch mehr gewinnen würde. Es war kein richtiger Grand Prix-Sieg, denn es gab nur die halbe Punktzahl. Aber ich weiß, dass es im Montjuïch-Park eine Steintafel mit meinem Namen gibt, weil meine Kinder mir Jahre später ein Foto davon geschickt haben.“

Mass zog nach seiner Formel 1-Karriere ein Fazit aus seinen beiden ersten McLaren-Jahren: „1975 hatten Emerson Fittipaldi und ich immer die gleiche Performance. Aber 1976 konnte ich nicht genau sagen, warum James Hunt meistens schneller war. Ich wusste, dass unsere Kurvengeschwindigkeiten identisch waren – damals, mit der einfachen Aerodynamik -, konnte man sich in den Kurven dicht auf den Fersen bleiben. Aber auf den Geraden zog er mir immer wieder davon. Das hat mich nicht demoralisiert, es hat mich nur ein bisschen geärgert und gewundert. Was keiner von uns wusste – bis Cosworth-Chef Keith Duckworth es mir Jahre später einmal erzählte – war, dass drei Spitzenteams der Formel 1 in diesem Jahr Evolutions-DFV-Triebwerke bekamen, nur für ihren besten Fahrer. Tyrrell erhielt sie für Scheckter, Lotus für Andretti und McLaren für Hunt. Keith sagte mir: ‚Die Jungs hatten 50 bis 60 PS mehr als du.‘ Ich wusste es nicht, James wusste es auch nicht. Den Mechanikern wurde einfach gesagt, welcher Motor in welches Auto einzubauen war.“

Am 23. Oktober 1977 endete Jochens McLaren-Ära beim Großen Preis von Japan in Fuji. Beim 17. Formel 1-WM-Lauf der Saison fuhr er zum letzten Mal für den von Bruce McLaren 1966 gegründeten Rennstall. In den Jahren von 1974 bis 1977 startete Mass in 49 Grands Prix für McLaren, gewann ein Rennen, erzielte 64 WM-Punkte und stand acht Mal auf dem Siegerpodest.

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ATS HS 1 Cosworth V8, Jochen Mass 1978 (© Bildagentur Kräling)

ATS, Arrows und March waren die weiteren Mass-Stationen in der Königsklasse von 1978 bis 1982. 

„Desaströs“, so beschrieb Jochen Mass seine 1978er F1-Saison im 3-Liter ATS HS 1-Cosworth V8 des Bad Dürkheimer Felgenherstellers Günter Schmid, der das Unternehmen ATS (Auto Technisches Spezialzubehör) 1976 gegründet hatte.

Bis zum 13. WM-Lauf am 27. August, dem Großen Preis von Holland in Zandvoort, hatte Mass keinen einzigen WM-Punkt für den in Bad Dürkheim ansässigen Rennstall errungen. Wenige Tage später, am 31. August, testete Mass den ATS in Silverstone. Auf der Hangar Straight brach eine Spurstange und das Auto schlug links in die Streckenbegrenzung ein. „Ich spürte, wie alles brach. Ich habe mir das linke Bein, den Oberschenkelknochen, das Schienbein und das Knie zertrümmert und mir die Lunge verletzt. Ich hatte Glück, dass der Wagen kein Feuer fing, denn der Motor wurde abgerissen. Es war mein erster schwerer Unfall  – und das Ende meiner Zusammenarbeit mit Schmidt.“

1979 und 1980 zeigte Jochen bei seinen Arrows-Einsätzen mehrere gute Rennen, besonders in Monaco: Er lag 1979 auf einem hervorragenden dritten Platz, bis die Bremsen überhitzten, ein längerer Boxenstopp bedeutete am Ende nur Rang sechs. 1980 kam er in Monte Carlo auf den vierten Platz – in einem spannenden Kampf mit Villeneuves Ferrari. Zwei Wochen später, beim GP von Spanien, der wegen des FISA/FOCA-Streits im Nachhinein seinen Weltmeisterschaftsstatus verlor, wurde Jochen hinter dem Williams von Alan Jones guter Zweiter vor Elio de Angelis auf Lotus.

 Mass: „Im zweiten Halbjahr 1980 war ich vom Pech verfolgt. Auf dem Österreichring hatte jemand im Training einen Motorschaden, ein Ölfilm bedeckte den Boden. Ich rutschte von der Strecke einen Hügel hinunter und landete auf einem gepflügten Feld, geriet seitlich in die Furchen und überschlug mich, wobei der Überrollbügel in die Erde einsank. Ich saß kopfüber im Auto fest, zum Glück habe ich mir nur ein paar Wirbel gebrochen. Inzwischen hatte Warsteiner sein Arrows-Sponsoring beendet und mein Platz im Team war nicht sicher. Als ich im November zusammen mit meinem Freund Jochen von Osterroth und einigen Bekannten mit meinem Segelboot den Atlantik überquerte, brach ich mir auf halbem Weg in der Nähe der Azoren den linken Oberschenkel. Durch diesen Unfall und eine verpasste Williams-Offerte startete ich 1981 nicht in der Formel 1.

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GP Monaco, Arrows-Ford, Jochen Mass (© Bildagentur Kräling)

1982 schloss ich mich zusammen mit John Macdonald und Guy Edwards dem RAM-March-Rennstall an. Ich brachte Rothmans Geld mit ins Team. Für mich war es eine unglückliche Saison, vor allem wegen der Ereignisse im Qualifying am 8. Mai zum Großen Preis von Belgien in Zolder. Ich kam in meinem March nur auf den 25. Trainingsplatz.

Nach der letzten Qualifying-Runde traten Blasen an den Reifen auf und ich wollte mit gedrosselter Geschwindigkeit an die Box zurückfahren. In meinen Rückspiegeln sah ich Gilles Villeneuve. Die Ideallinie war links, also bin ich nach rechts ausgewichen. Gilles wollte aber neben der Ideallinie rechts auf der Außenseite der Kurve an mir vorbei.“

Der Unfallhergang: Villeneuve sah zu spät, dass Mass den von ihm gewählten Weg einschlug. Auf der Außenseite der Kurve setzte Villeneuve zum Überholen an. Die Rennwagen berührten sich. Der linke Vorderreifen des Ferrari berührte das rechte Hinterrad des March. Der Ferrari flog sofort himmelwärts und verschwand kurzzeitig aus dem Blickfeld der TV-Kamera, die den Moment der Kollision gerade noch eingefangen hatte. Beim Aufprall zerriss es den roten Wagen in mehrere Teile. Dabei wurde die Vorderseite des Chassis abgerissen und Villeneuve wie in einem Schleudersitz herauskatapultiert. Er landete in den Fangzäunen, seine Schuhe, seinen Helm und seine Schuhe hatte er verloren. Mass sprang aus seinem Auto und lief zu Villeneuve hinüber, um zu sehen, was er tun konnte, auch andere Fahrer stoppten an der Unfallstelle. Ein Hubschrauber flog den Schwerverletzten in die St. Raphael-Klinik in Leuwen. Abends teilte die Rennleitung mit, dass der Kanadier verstorben sei.

Mass: „Vielleicht war es mein Fehler, ihm nicht zu signalisieren, dass ich die Ideallinie freigebe. Das bereue ich zutiefst. Ich kannte Gilles gut, ich kannte seine Frau Joann und seine Kinder Jacques und Melanie, wir hatten einige Zeit miteinander verbracht. Am nächsten Tag fuhr ich das Rennen, und genau an der Stelle, wo Gilles in die Fangzäune geschleudert worden war, ging mein Motor kaputt. Ich saß einfach nur im Auto und dachte an den Vortag.“

Beim Großen Preis von Frankreich in Paul Ricard ging die Grand Prix-Saison 1982 und die Formel 1-Karriere von Mass zu Ende. 

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Formel 1, Grand Prix Monaco 1982, Jochen Mass, March-Ford 821 (© Bildagentur Kräling)

Er kollidierte mit Mauro Baldi und überschlug sich. Der Überrollbügel brach ab, das Auto fing Feuer und Mass flog durch alle Fangzäune, über die Leitplanken und eine Zufahrtsstraße, über eine Betonmauer und dann in einen Zuschauer-Bereich.

Jochen: „Mein Helm wurde durchgeschliffen und war aufgeplatzt. Als alles zum Stillstand kam, war ich in eine Zaunrolle eingeklemmt, so dass ich nicht herauskam. Ich spürte eine enorme Hitze, denn das Auto brannte. Dann war ich plötzlich von all diesem herrlich kühlen Schaum eines Feuerwehrautos eingehüllt. Sie schnitten mich aus den Zäunen heraus, ich war nur leicht verletzt, hatte aber das Gefühl, dass jemand auf mich zeigte und mir sagte: ‚Gib es jetzt auf und fahre nur noch Sportwagen.‘ Ich wusste, ich hatte unglaubliches Glück gehabt und fragte mich: Wie viele Schutzengel habe ich noch?“

Mit 105 WM-Läufen, einem Grand Prix-Sieg, acht Podestplätzen und 71 WM-Punkten avancierte Mass zum erfolgreichsten deutschen Formel 1-Piloten seiner Zeit. Anschließend verlagerte Jochen seine Aktivitäten auf den Langstreckensport.

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Ford Capri RS 3.4 Cosworth, Jochen Mass, DRM Norisring 1975 (© Bildagentur Kräling)

Retrospektive: Sein Tourenwagenvertrag mit Ford lief bis 1974. Im folgenden Jahr fuhr er in der Sportwagen-Weltmeisterschaft für Alfa Romeo. Zusammen mit Arturo Merzario gewann er in Enna und mit Jody Scheckter belegte er im 1000-Kilometer-Rennen auf dem Nürburgring den sechsten Platz. „Dieser Alfa 33 war ein tolles Auto“, so Mass. „Im Laufe der Saison fragte mich Bernie Ecclestone, wie der Motor sei. Ich sagte ihm, gut. Vielleicht ein bisschen schwerfällig, aber sehr stark. Kurz darauf schloss Bernie mit Alfa den Brabham-Vertrag für die Formel 1-Motoren des Jahres 1976 ab.“

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1000 km-Rennen, Nürburgring 1975. Jochen Mass auf Alfa Romeo 33TT12 (© Nils Ruwisch)

1976 wurde Mass für das Porsche-Werksteam verpflichtet. Den Titel des Vizemeisters in der World Endurance Championship holte er sich 1984. Mass: „Der 956 und der 962 waren einfach magisch: sehr gut zu fahren, komfortabel auf langen Rennen, enormer Abtrieb und einfach besser als alles andere.“

Für die Zuffenhausener pilotierte er 1985 auch einen Porsche 959 bei der Rallye Paris – Dakar. 1987 gewann er im Porsche 962 zusammen mit Bobby Rahal die 12 Stunden von Sebring.  

Mass zu seiner Zeit bei Mercedes-Benz: „Einen meiner größten Erfolge erzielte ich 1989 zusammen mit Manuel Reuter und Stanley Dickens auf einem Sauber-Mercedes C9 durch den Gesamtsieg beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans. Im gleichen Jahr platzierte ich mich als Vizemeister in der World Sports Prototype Championship C1, hatte aber großes Pech, da ich in diesem Jahr die Fahrermeisterschaft nicht gewann, weil es für Le Mans keine Punkte gab. 1991 führte ich in Le Mans zusammen mit Jean-Louis Schlesser und Alain Ferté, aber drei Stunden vor Schluss versagte der Motor.“ 

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Sportwagen Endurance WM, WEC 1000 km Nuerburgring Nordschleife, 29.05.1983, Sieger Jochen Mass, Porsche 956 Turbo
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Jochen Mass hat Motorsport-Geschichte geschrieben. Sein Name ist eng verbunden mit einer außergewöhnlichen Vielseitigkeit und hohem  technischen Feingefühl! Frühzeitig förderte er das Talent junger Fahrer, besonders zu seiner Zeit als Sauber-Mercedes-Pilot.

„Zu meinen Aufgaben bei Sauber gehörte es, Michael Schumacher, Heinz-Harald Frentzen und Karl Wendlinger im Rahmen des Mercedes-Nachwuchsfahrer-Programms zu betreuen. Frentzen war der einfachste Fahrer, er sprang einfach rein und fuhr los. Wendlinger konnte auf einer einzigen Runde sehr schnell sein. Aber Michael war mit Abstand der konzentrierteste und analytischste Fahrer.“

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Sportwagen WM, WSPC Nuerburgring, 20.08.1989, Sieger Jochen Mass (1.), Sauber-Mercedes C9 Turbo (© Bildagentur Kräling)

Auch deshalb wurde Schumacher von Mass besonders unterstützt. Er war es, der dem späteren 7-fachen Formel 1-Weltmeister während ihrer gemeinsamen Zeit bei Sauber-Mercedes den Wechsel zur Scuderia Ferrari empfohlen hatte: „Wenn du Ferrari wieder stark machst, dann wirst du der König von Italien.“

1997 sagte Michael Schumacher im Gespräch mit F1-Reporter Michael Schmidt: „Der Jochen wurde in unserer gemeinsamen Zeit bei Mercedes wie zu einer Vaterfigur. Auf seinen Rat konnte ich mich immer verlassen.“

Nach seiner aktiven Karriere war Jochen Mass regelmäßig bei historischen Rennveranstaltungen zu sehen, bei denen er klassische Fahrzeuge von Porsche und Mercedes pilotierte. Zudem blieb er der Motorsportszene als Kommentator, Berater und Zeitzeuge eng verbunden.

Simon Taylor, renommierter englischer Fach-Journalist, Buch-Autor, Kommentator, Verleger und Motorsport-Historiker, erfuhr in seinem letzten Interview mit Jochen Mass für das englische Magazin Motor Sport zu dessen Passion Oldtimer und historische Rennwagen viel Interessantes: „Nach meiner Zeit bei Mercedes managte ich einen Lotus-Opel-Rennstall und dann ein Mercedes-DTM-Team. Später arbeitete ich auch eine Zeit lang als deutschsprachiger F1-TV-Experte. Das wurde mir nach einer Weile eintönig, alle zwei Wochen das Gleiche zu sagen. Ich entschloss mich, häufiger historische Fahrzeuge von Mercedes aus ihrem Museum zu fahren.

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DTM Diepholz, MS Jet Mercedes 190E 2.5-16 Evo2 (© Bildagentur Kräling)

Neben dem 300 SLR und dem großen SSK bei der Mille Miglia – ich glaube, ich war 18 Mal dabei – bin ich alle großen Grand Prix-Rennwagen der Vorkriegszeit gefahren, W25, W125, W154, sogar den kleinen 1,5-Liter-Tripoli. Und natürlich den W196 der Nachkriegszeit. Der W25 fährt sich wunderbar – Pendelachsen, schmale Reifen, knapp 400 PS, man steuert ihn mit dem Gaspedal. Der W125 ist deutlich anspruchsvoller, ein 5,8-Liter-Reihenachtzylinder mit zwei Kompressoren und 680 PS, der in jedem Gang durchdreht. Der W154 kam auf den Markt, als die Formel auf 3 Liter reduziert wurde, aber das ist ein wunderbares Auto, viel moderner, mit V12-Motor, gut Bremsen. Der kleine Tripolis-Wagen ist auch überraschend schnell. Und ich war begeistert vom London-Brighton-Lauf mit dem Mercedes von 1904. Im Morgengrauen im Hyde Park stehen 500 Autos, alle vor 1905, Schlange – ein atemberaubender Anblick.“

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Und mit Blick auf die Formel 1 äußerte Mass: „Heutzutage herrscht in der Formel 1, wo große Konzerne im Spiel sind, enormer Druck. Aber die Jungs bekommen heute so viel Geld, dass sie blasiert werden. Man sollte meinen, bei all dem Geld würden sie sich gegenseitig helfen, wenn einer ein Problem hätte, aber heute ist jeder auf sich selbst gestellt. Und diese Manager – manche von ihnen werden reich, ohne sich um irgendetwas zu kümmern. Lao Tzu sagte vor 2400 Jahren: ‚Wer weiß, dass genug genug ist, wird immer genug haben.‘ Das gefällt mir.

Ich hatte so viel Glück in meinem Leben. Ich habe meine Rennen geliebt, aber ich war nicht so angespannt. Vielleicht hätte ich es ernster nehmen sollen, dies und das unter einen Hut zu bringen, aber so bin ich nicht gemacht. Für mich war das Leben immer ein Spiel. Als Formel 1-Fahrer in einem alten Segelboot die Ozeane zu überqueren: Die meisten würden sagen, das war ziemlich albern. Aber ich bereue nichts davon. Man ist, was man ist.“

Im Dezember 2024 resümierte Jochen Mass in einer Mail an die Autoren und an Jochen von Osterroth im Hinblick auf die aktuelle Motorsport-Szene: „Unsere Rennwelt hat sich sehr verändert. Und der schnöde Mamon verdirbt die Fahrer. Unnahbar und kurz angebunden, schade. Zumindest wie man es aus der Entfernung wahrnimmt. Aber, na ja, was soll man meckern, die Zeiten schreiten voran. Alles Gute für euch, Salve!“

Im vorliegenden Buch „Jochen Mass – Eine deutsche Rennsport-Ikone“ wird die einzigartige Karriere eines besonderen Fahrers und eines beliebten Menschen punktuell beleuchtet, der den Motorsport mit Passion, Erfahrung und Präzision bereichert und inspiriert hat. 

Am 4. Mai 2025 verstarb Jochen Mass in Cannes an den Folgen eines Schlaganfalls.

Sein Engagement auf den Rennstrecken der Welt machte ihn zu einem wertgeschätzten und unvergessenen Botschafter des Motorsports. 

Jochen Mass: Eine Rennsportikone
Deutscher und englischer Text. 264 Seiten. 311 Fotos. 
Format ca. 29,7 x 29,7 cm. Gebunden mit Hardback.
Vertrieb: Inter Media Distribution (IMD
Im Grund 36
D-51588 Nümbrecht-Bierenbachtal
Tel.: 0 22 93  –  90 20 58
Email:   imd@imd-motorsport.de

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(© Wolfgang Wilhelm Photoagentur)

Fotos:Wolfgang Wilhelm Photoagentur (1), Björn Schlichtig (1), Nils Ruwisch (1), Fotoagentur Kräling (14)/Text: Jörg-Thomas Födisch)