
Am Anfang der Entwicklung des strömungstechnisch ausgefeilten Straßenfahrzeugs stand die ambitionierte Absicht einer deutlichen Verbesserung gegenüber seinem Vorgänger. Der Chiron hatte bereits einen geringem Luftwiderstand, der vom neuen Modell übertroffen werden sollte. Die Entwicklung dessen aerodynamischen Eigenschaften begann an einem sehr frühen Punkt im Entwicklungsprozess. Nachdem die Design- und Ingenieurteams den Grundstein gelegt hatten, gaben zeitaufwendige CFD-Simulationen (Computational Fluid Dynamics) eine erste Vorstellung von der zu erwartenden Performance. Im nächsten Schritt – fünfzehn Monate vor der Vorstellung des Tourbillon –, traf sich eine Gruppe von Bugattis Ingenieuren und Aerodynamikexperten in einem Windkanal in Italien, um mit einem Modell des Tourbillon im Maßstab 1:2 zu arbeiten.
Dieses Modell war eine besonders exakte Nachbildung des späteren Tourbillon und wurde in akribischer Handarbeit aus 250 einzelnen, im 3D-Druckverfahren hergestellten Komponenten gefertigt, die mit über 100 Druckmesspunkten an den Gehäuseteilen des Modells versehen sind. Diese präzise auf der Oberfläche verteilten Elemente dienten einem entscheidenden Zweck bei der aerodynamischen Entwicklung. Jeder einzelne Punkt wurde in Bezug auf Massendurchflussmessungen, statische Druckspitzen und Strömungsgeschwindigkeiten erfasst und von den Aeroingenieuren analysiert, um das erwartete Leistungsprofil des Fahrzeugs zu validieren, das zuvor mit modernsten Simulationswerkzeugen virtuell entwickelt worden war. Datengestützte Erkenntnisse führten zu einer Absenkung der komplexen Frontpartie, die Integration eines leistungsstarken Heckdiffusors, sowie zur Verkleinerung der Fahrgastzelle, ohne das Raumgefühl zu beeinträchtigen.

Das primäre Ziel für die Arbeit der Teams war die Optimierung des Luftwiderstandsbeiwerts und des Luftstroms über das gesamte Fahrzeug. Die vielen Monate, die in die aerodynamische Entwicklung flossen, tragen somit dazu bei, die dynamischen Fähigkeiten auf neues Leistungsniveau zu heben und verhelfen dem Tourbillon zu einer hochentwickelten Leistungsfähigkeit. So kann der Wagen etwa seine Höchstgeschwindigkeit ohne ausgefahrenen Heckflügel erreichen und bleibt dennoch fahrstabil.
Während der Prozess der Korrelation von Simulationsmodellen mit dem gleichzeitigen Gewinn an realen Testergebnissen die Produktentwicklung beschleunigten, wuchs die Größe des neuen Bugatti im Laufe des darauffolgenden Jahres vom verkleinerten Modell zum Prototyp in Originalgröße – eine Veränderung, die auch eine entsprechende Vergrößerung des Windkanals erforderlich machte. Der erste experimentelle Prototyp war ein Meilenstein des intensiven Projekts. Die sorgfältig erstellten Simulationsprojektionen des Aerodynamik-Teams wurden durch reale Tests bestätigt und die Voraussetzungen für die Entwicklung ausgefeilterer Prototypen und führten letztendlich zum Beginn einer neuen Produktära bei der Firma aus dem elsässischen Molsheim.

Fotos: Bugatti/Text: Rainer Roßbach