Ferrari 166M/212 Fontana

Ferrari 166M/212 Fontana „L’Uovo“ (1951)

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Ferrari 166M/212 Fontana

Die Scuderia Marzotto war die Renngemeinschaft der vier Brüder Vittorio, Paolo, Umberto und Giannino Marzotto, die einer grossen Textildynastie aus Vicenza entstammten. Sie waren das, was man als Herrenfahrer bezeichnen würde, aber Giannino, der jüngste verfügte über grosses Talent und wurde sehr erfolgreich. Ihre bevorzugten Fahrzeuge waren Ferraris. Die Marzotto-Brüder waren zwar überzeugt, daß die Autos des Commendatore mechanisch überragend und stets mit einer schönen Karosserie vesehen waren, aber die Aerodynamik bedurfte einer deutlichen Verbesserung.

So ging man mit genauen Vorstellungen zur Carozzeria Fontana, um sich etwas effektiveres bauen zu lassen. Der Designer Sergio Reggiani konstruierte insgesamt vier Modelle auf Modeneser Basis, ausschließlich für die Marzottos.

Neben dem erfolgreichen “Caretto Siciliano”, mit dem Vittoria Marzotto/Fontana den Giro Sicilia 1951 gewannen und einem 2,5l-Spider für die Mille Miglia 1951/52 entstand eines der ungewöhnlichsten Rennfahrzeugen jener Zeit, der “Uovo”. Dieser Sportwagen wurde speziell für die Mille Miglia 1951 auf der Basis eines verunfallten 166M (Chassis 024MB) gebaut und mit der Maschine eines 212 (Motornummer 0084E) ausgerüstet. Neben der ausgeprägten Windschlüpfrigkeit verfügte der “Uovo” auch über einen 150-Liter-Tank: ein erheblicher Vorteil gegenüber den Werkswagen.

Ferrari 166M/212 Fontana

Enzo Ferrari soll nicht begeistert gewesen sein. Zudem kam ihm zu Ohren, das die Fontana-Kreation ca. 225 kg weniger wog als die eigenen 212 und eine um 10 km/h höhere Endgeschwindigkeit erreichen sollte. Neben der besseren Konzeption stiess er sich vor allem an der, wie er meinte, hässlichen Karosserie. Ursprünglich sollte in das Fahrzeug ein niedrigerer Kühler eingebaut werden, was die Stirnfläche deutlich verkleinert hätte. Gerüchte besagen, das Enzo Ferrari persönlich für die “Verzögerung” der Lieferung dieses Bauteils verantwortlich war, worauf die gesamte Karosse noch einmal umgebaut werden musste. Der grösste Arger war jedoch, das Marzotto/Crosara am Kontrollpunkt Ravenna mit dem “Ei” fünf Minuten in Führung lag und nur der Werkswagen Villoresis einigermaßen folgen konnte. Bis Fana konnte Giannino den Vorsprung auf 10 Minuten erhöhen. Hinter Senigalli hörten sie dann ein mechanisches Geräusch, das, wie sie glaubten, vom Differential stammte, einem bekannten Schwachpunkt der 212-Mechanik. Schweren Herzens entschieden sie sich, das Auto zu schonen und das Rennen aufzugeben. Bei einer erneuten, späteren Prüfung stellten sie dann ironischerweise fest, das lediglich ein Hinterreifen beschädigt war. Dessen Auflösungserscheinungen hatten die Geräusche ausgelöst und so einen weiteren Triumph verhindert. Leider war es nun zu spät, in das Rennen zurückzugehen – zur Genugtuung des Commendatore gewannen Gigi Villoresi/Pietro Cassini auf einem Ferrari 340 America Coupé mit Vignale-Karosserie.

1951 musste Giannino mit dem “Uovo” aufgeben, auch 1952 war nichts zu holen, aber im folgenden Jahr bewies er, dass er nicht nur mit Glück sondern mit Talent und Durchhaltevermögen siegen konnte. Ursprünglich war er als Fahrer für einen Werks-Alfa Disco Volante vorgesehen, man gab ihmjedoch kurzfristig zu verstehen, dass der Platz im Team anderweitig vergeben war. Ein Versuch bei Lancia unterzukommen scheiterte – er stand ohne Auto da. Angesichts dieser Probleme sprang Enzo Ferrari kurzfristig in die Bresche, allerdings nicht mit einem Werkswagen: In einer Garage in Modena stand ein Vignale 340 MM, mit dem Villoresi kurz vorher den Giro di Sicilia bestritten hatte und dessen Bremsen total ausgefallen waren.

Drei Tage danach starteten die 1000 Meilen in Brescia, wenig Zeit also, dass strapazierte Fahrzeug in Wettbewerbsform zu bringen. 26 Ferrari waren am Start, Jaguars C-Type, der neue Lancia D20 sowie Alfa Romeos Disco Volante. Die Fahrer waren die Elite der damaligen Zeit: Farina, Villoresi, Moss, Hawthorne, Taruffi, Fangio und Kling.

Sanieri ging auf Alfa in Führung, bis er vor Rom aufgeben musste. Zu diesem Zeitpunkt waren die Ferrari-Werkswagen schon ausgefallen und Giannino Marzotto war trotz einiger Motor-Probleme nun die einzig verbliebene Hoffnung des Modeneser Rennstalls. Nachdem hinter Rom kurzfristig Karl Klings Disco Volante die Führung übernommen hatte, war Fangio auf Alfa der Fahrer, der geschlagen werden musste. Marzottos 340 MM hatte gegen das Coupe auf den schnellen Passagen in der Ebene keine Chance, deshalb bereitete er einen Angriff im Gebirge vor. Dort, irgendwo vor Bologna, brach dann jedoch der Rahmen an Fangios Disco Volante und Giannino Marzotto übernahm die Führung, die er bis Brescia nicht mehr abgab.

Als damals zweiundzwanzigjähriger besiegte er die favorisierten Werkswagen mit Ascari, Villoresi, Serafini, Bracco und Serafini und schrieb sich als jüngster Sieger aller Zeiten in die Geschichtsbücher ein. Serafini und Juan Manuel Fangio auf Alfa Romeo reihten sich hinter ihm ein. Bemerkenswert war, dass er im Gegensatz zu seinen Mitkonkurrenten die Rennoveralls trugen, einen dunklen Zweireiher sowie Pullover und Krawatte trug, die farblich auf die Lackierung der Touring-Karosserie seines Rennwagens abgestimmt waren. Den Triumph perfekt machte sein Bruder Vittorio mit dem neunten Platz, auf dem Beifahrersitz des Fontana 195S saß der Karossier persönlich.

Nach einer nicht mehr so ernst gemeinten Teilnahme an der Mille Miglia 1954 zog sich Giannino Marzotto vom Rennsport zurück. In Erinnerung bleiben grosse Siege und ein Fahrzeug, das Enzo Ferrari gründlich den Humor verdarb.

Ferrari 166M/212 Fontana

Fotos:/Text: Rainer Roßbach