Vanwall VW7 (1957/1958)

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Nach dem Zweiten Welrkrieg dominierten die Italiener die Formel 1. Auch wenn Mercedes-Benz in den Jahren 1954 und 1955 unschlagbar war, stand die höchste Klasse des Motorsports doch ganz im Zeichen von Alfa, Maserati und Ferrari. Auch die Briten versuchten ihr Glück mit dem BRM V16-Projekt – und scheiterten auf der ganzen Linie. Zu den Unterstützern dieses Versuchs, England im Grand Prix-Sport zu etablieren, gehörten Oliver Lucas, Alfred Owen und Tony Vanderwall.

Vanderwall, der die Konkurrenzfähigkeit der britischen Industrie in der Formel 1 beweisen wollte, stoppte sein Engagement jedoch recht schnell, weil er nicht an die Zukunft des V16 glaubte. Er beschloß, ein eigenes Team zu etablieren und kaufte Wagen bei Ferrari, die als “ThinWall Specials” in der britischen “Formula Libre” starteten. Die dabei gewonnenen Erfahrungen mündeten in ein Formel 2-Engagement, bei dem Cooper-Chassis eingesetzt wurden und welches die Basis für das spätere Formel 1-Engagement legte.

Der erste Formel 1-Entwurf stammt aus der Feder des damaligen Cooper-Designers Owen Maddock und wurde vom Vanwall-Team selbst gebaut. Die Arbeiten gingen nur langsam voran und ein Mitarbeiter offerierte dem Team-Manager die Hilfe eines Freundes. Dessen Name war Colin Chapman und er wurde engagiert, Chapman war zu dieser Zeit dabei, sein eigenes Unternehmen zu gründen. Bis dahin hatte der junge Ingenieur nur Erfahrung mit dem Bau von Sportwagen – und er ergriff jetzt beherzt die Möglichkeit, an einem Formel 1-Monoposto zu arbeiten.

Als Tony Vanderwall die Werkstatt besuchte, fragte er Chapman nach den Qualitäten des vorliegenden Designs. Die Antwort war negativ – und überzeugend: Vanderwall gab Chapman den Auftrag für einen völlig neuen Monoposto. Frank Costin, der spätere britische Aerodynamik-Papst, wurde mit der Entwicklung einer neuen Karosserie beauftragt und er selbst steuerte einen Gitterrohrrahmen bei, der etwa 40 Kilogramm wog. Die Italiener dagegen verwendeten zu dieser Zeit noch einen Chassis-Mix aus Leiterrahmen und Rohrrahmen-Strukturen. Der Vanwall-Rahmen geriet stabil, leicht und nahezu verwindungsfrei, was die Verwendung weicherer Federn möglich machte. Und das bedeutete eine deutliche Verbesserung der Bodenhaftung.

Man setzte auch – im Gegensatz zum BRM-Projekt – die nationale Brille ab und kaufte Komponenten da, wo es das beste Material gab. Scheibenbremsen an allen vier Rädern, ein Fünfgangetriebe, unabhängig aufgehängte Vorderräder sowie eine DeDion-Hinterachse ergänzten das technische Paket.

Die Costin-Karosserie weist ein auffälliges Tropfendesign auf. Der geringe Luftwiderstand resultiert aus der kleinen und niedrig gehaltenen Front, die in deutlichem Kontrast zur ausgeprägten Höhe des Hecks von 1140 Millimetern steht. Die realtiv große Breite entsteht durch den Einbau von drei Tanks: zwei seitlich vom Fahrer und einer hinter dem Sitz. Später fanden noch Versuche mit einer stromlinienförmigen Abdeckhaube für das Fahrerabteil statt, aber der darunter entstehende Lärmpegel erwies sich als unzumutbar. Der Versuch wurde deshalb abgebrochen.

Da Tony Vanderwalls Vater zu dieser Zeit Vorstandsvorsitzender beim renommierten englischen Motorradhersteller Norton war, nutze man diese Verbindung zur Entwicklung eines Motors. Der verantwortliche Ingenieur, Leo Kuzmicki, und der damalige Entwicklungschef Joe Craig fügten vier 500 ccm-Motoren zusammen: Das Ergebnis war ein Vierzylinder mit oben liegenden Nockenwellen und einem Volumen von 2490 ccm, der 285 PS bei 7300 U/min leistete.

Der Wagen erwies sich von Anfang an als schnell, es haperte aber an der Zuverlässigkeit und das Fahrverhalten bei hohen Geschwindigkeiten war kritisch. Deshalb wurde die Hinterradaufhängung durch eine neue ersetzt, die später als “Chapman strut” (strut = Abstützung) bekannt wurde und bei den Dämpfern kam nun ein deutsches Fabrikat zum Einsatz.

Für 1957 gab Vanderwall zwei Ziele vor: Die Zuverlässigkeit sollte verbessert werden und es sollten die schnellsten verfügbaren Fahrer verpflichtet werden. Am liebsten natürlich Briten. Stirling Moss war frei und es wurde ein Testtag angesetzt, an dem der damals wohl beste englische Fahrer alle britischen Formel 1-Autos, darunter BRM, Connaught und Vanwall, testen konnte. Der Vanwall erschien ihm als besonders wettbewerbsfähig und er unterzeichnete deshalb sofort einen Vertrag. Zweiter im Team war Tony Brooks und als dritter Fahrer wurde Stuart Lewis-Evens verpflichtet.

Die 57er Saison begann mäßig, aber beim britischen Grand Prix gab es den ersten Sieg. Brooks und Moss teilten sich Auto und Sieg vor Luigi Musso auf Lancia Ferrari. Lewis-Evans kam als Siebter ins Ziel. Beim italienischen Grand Prix folgte der nächste Triumph, wieder durch Moss. Die Saison 1958 geriet dann zum offenen Schlagabtausch zwischen Mike Hawthorn auf Ferrari und Stirling Moss auf Vanwall. Obwohl Moss vier Rennen gewann und Hawthorn nur eins, verpaßte der Vanwall-Pilot am Ende den Titel um einen Punkt. Die Briten gewannen den Konstrukteurs-Titel, aber die Saison endete für das britische Team tragisch: Stewart Lewis-Evans starb bei einem Unfall im letzten Rennen. Am Ende des Jahres beschloß Tony Vanderwell angesichts steigender Kosten den Rennstall nicht mehr mit der gleichen Intensität weiter zu betreiben. Seine selbstgesteckten Ziele hat er gleichwohl erreicht: Von dieser Zeit an waren britische Konstrukteure immer an der Spitze der Formel 1 zu finden und bis heute ist der Wettbewerb englisch geprägt.

Fotos, Texte: Rainer Roßbach