Austro-Daimler ADS R „Sascha“ (1922)

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Das 13.Targa-Florio-Rennen am 2.4.1922. Am Steuer des Wagens mit der Startnummer 1 Graf Alexander “Sascha” Kolowrat, hinter der “1” Ferdinand Porsche.

Ferdinand Porsche lernt Alexander Joseph Graf Kolowrat-Krakowsky im Jahr 1921 kennen. Der begeisterte Motorsportfan ist Teilhaber des Unternehmens Austro-Daimler, in dem Porsche zu dieser Zeit arbeitet. Er trägt den Spitznamen Sascha. Porsche und Kolowrat sprechen über die Realisierung eines Herzensprojekts: einen Kleinwagen in größerer Stückzahl zu einem niedrigen Preis zu fertigen. Für das geplante Serienfahrzeug braucht Porsche die Zustimmung des Vorstands von Austro-Daimler, der dem Projekt skeptisch gegenübersteht. Positive Aufmerksamkeit nach einem Renneinsatz sei perfekt, um die Kritiker zu überzeugen, ist sich Porsche sicher. Also realisiert er neben dem geplanten Kleinwagen mit nur 1.100 ccm Hubraum auch eine Rennversion: den ADS R.

Da der Industriemagnat und Filmproduzent Kolowrat das Projekt finanziert, wird das Fahrzeug nach ihm benannt: Sascha. Es entsteht eine 598 kg leichte Rennversion zum geplanten Serien-Viersitzer. Der Sascha ist bei der Entwicklung vor mehr als einhundert Jahren bereits seiner Zeit voraus. So betätigt der Fahrer die vier Trommelbremsen des leichten Fahrzeugs mechanisch über Seilzüge, die im Rahmen der Restaurierung gegen neue Seilzüge getauscht werden, der Sicherheit wegen. Zentralmuttern halten die Räder, die Schaltung des Vierganggetriebes ist innerhalb des Fahrzeugs – beides innovativ für die 1920er-Jahre. Der Motor mit Laufbuchsen aus Stahl, Leichtmetallkolben und Trockensumpfschmierung verfügt über eine technische Innovation aus dem Rennsport, vermutlich aus Sicherheitsgründen und nicht aus Gründen der Leistungssteigerung: die Doppelzündung. Pro Zylinder sind zwei Zündkerzen eingesetzt.

Der wassergekühlte 1,1-Liter-Reihenvierzylinder mit zwei obenliegenden Nockenwellen wird weiter hinten eingebaut. Das verkürzte Chassis wiegt lediglich 450 kg, das Gesamtgewicht verteilt sich zu 53 Prozent auf die Vorder- und zu 47 Prozent auf die Hinterachse. Mit zwei vollen Benzintanks und beiden belegten Sitzen ist die Last perfekt verteilt. Der zweite Kübelsitz ist dem Mechaniker vorbehalten, das war damals nicht unüblich. Ersatzteile und Werkzeuge verstaut der Mechaniker in einer Holzkiste hinter den Sitzen, seitlich sind Reserveräder befestigt.

Beim Ausfall einer Zündkerze kann der Motor immer noch auf allen Zylindern laufen. Im Vergleich zu anderen Rennmotoren aus dieser Zeit erweist sich Porsches Vierzylinder mit größerer Bohrung und kürzerem Hub ohnehin als das fortschrittlichste Konzept. Die Auspuffanlage ist trichterförmig und bestens durchdacht: Die Auslasskanäle der mittleren Zylinder laufen in einem gemeinsamen Krümmer zusammen, ebenso die beiden äußeren. Weiter unten vereinen sich die beiden in einem Rohr und beschleunigen die Austrittsgeschwindigkeit der Abgase.

Die Prototypen werden 1922 erst kurz vor der Teilnahme an der Targa Florio fertig. Noch auf der Zugfahrt lackieren die Mitarbeiter von Porsche die Aluminiumkarosserien der vier Sascha-Modelle rot, damit sie in Italien nicht besonders auffallen und gestohlen werden. Zur besseren Unterscheidung der Fahrzeuge aus der Ferne lässt Kolowrat sie mit Symbolen von Spielkarten versehen.

An Kolowrats Modell prangen Herzen, Alfred Neubauer – der erfolgreichste Fahrer und später Rennleiter von Mercedes – bekommt Karos, Fritz Kuhn fährt mit Pik und Lambert Pöcher mit Kreuz. Graf Kolowrat ist nicht nur Finanzier und Einsatzleiter des Projekts, er fährt auch selbst. Es ist ihm gelungen, die kleinen Sportwagen in der 1,1-Liter-Klasse zu melden. Die Hubraum schwächsten Fahrzeuge und somit auch Kolowrat starten zuerst. Später bezeichnen die vier Sascha-Piloten die Targa Florio als „merkwürdiges Rennen über abenteuerliche Strecken“. Sie fahren im Abstand von je zwei Minuten los, was dazu führt, dass die Teilnehmer nie sehen, gegen wen sie antreten.

Die italienische Presse feiert das schnelle und widerstandsfähige „Miniaturwägelchen“ mit einer möglichen Höchstgeschwindigkeit von 144 km/h als „die Offenbarung der Targa Florio“. Um die Leistungen auch über die Grenzen hinaus zu würdigen, schaltet Ferdinand Porsche großformatige Zeitungsanzeigen: „Austro-Daimler ist der moralische Gewinner der Targa Florio 1922!“ Was Daimler wenige Tage später mit Gegenanzeigen widerlegte, schließlich hatte Daimler den Gesamtsieg errungen. 

Video, Fotos, Text: Porsche