Mercedes-Benz 280 GE
„Paris–Dakar“ (1983)

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Das Siegerfahrzeug: Der. Mercedes-Benz 280 GE von Jacky Ickx und Claude Brasseur.

1983 triumphieren die Stuttgarter bei der härtesten Rallye der Welt: Rennfahrer Jacky Ickx und sein Beifahrer, der Schauspieler Claude Brasseur, gewinnen mit dem Mercedes-Benz 280 GE die Rallye Paris–Dakar 1983. Das Projekt wird von Mercedes-Benz France betreut. Aus Deutschland unterstützen Ingenieure des Unternehmens bei Motor und Aerodynamik des Geländewagens.

Mercedes-Benz France leitet die Vorbereitung des siegreichen Mercedes-Benz 280 GE der Baureihe 460. Der dortige Kundendienstchef Gunter Latour pflegt gute Kontakte nach Untertürkheim. Dort übernimmt Georg Berkmann das Projekt, der sich üblicherweise um die Verbrennungsprozesse von Pkw-Motoren in Nutzfahrzeugen kümmert. Für den harten Rallyeeinsatz des 280 GE überarbeitet er den Doppelnockenwellen-Sechszylindermotor M 110, mit dem bereits 1977 Andrew Cowan, Colin Malkin und Mike Broad auf Mercedes-Benz 280 E rund 30.000 Kilometern Platz eins des Rallyemarathons London–Sydney belegen.

Grundlage für den Dakar-Motor ist die Serienvariante des M 110 185 PS. Ingenieur Berkmann greift auf Nockenwellen zurück, die ursprünglich zur Leistungssteigerung des 280 SL der Baureihe R 107 vorgesehen sind. Damit kommt der Wettbewerbs-Motor auf rund 197 PS. Eine Hydraulikpumpe aus dem T-Modell der Baureihe 123 dient jetzt zur Kühlung des Schaltgetriebes.

Der 280 GE der späteren Sieger Jacky Ickx und Claude Brasseur. Fahraufnahme. Im Hintergrund der 280 GE von Jean-Pierre Jaussaud und Jean da Silva (Startnummer 143).

Extreme Temperaturen, Staub und schlechte Benzinqualität bestimmen den Einsatz in Afrika. Also verlegt Berkmann die Luftansaugung des Triebwerks in den Innenraum, weil dort die Temperaturen meist niedriger sind und auch der Staubanteil in der Luft ist geringer. Gegen die schlechte Benzinqualität wählt er ein einfaches, aber wirksames Mittel. Georg Berkmann erzählt: „Am Zündverteiler habe ich gelbe und rote Markierungen angebracht. So konnten die Fahrer den Zündzeitpunkt rasch verstellen, wenn der Motor aufgrund schlechter Spritqualität klingelt.“ Damit das schnell geht, ist nahe beim Zündverteiler ein vier Millimeter starken Inbusschlüssel an einer Kette befestigt. Jacky Ickx beschriftet in seiner Vorbereitung jedes Relais, um Defekten rasch auf die Spur zu kommen.

Mit dem leistungsgesteigerten Motor erreicht der 280 GE eine Höchstgeschwindigkeit von 175 km/h. Das ist 25 km/h schneller als die Serienvariante. Berkmann ist jedoch sicher, dass dieses Tempo einen 1983 nicht ausreichen wird: 1982 kommen die Mercedes-Benz 280 GE bei der Rallye Paris–Dakar auf den Plätzen drei (Jean-Pierre Jaussaud/Michel Brière) und fünf (Jacky Ickx/Claude Brasseur) ins Ziel. Eine deutlich erhöhte Motorleistung kommt aus Gründen der Zuverlässigkeit nicht in Frage. 

Service beim nächtlichen Stopp.

Also benötigt man einen anderen Ansatz: Ingenieurskollege Rüdiger Faul hat unter anderem die Aerodynamik des C 111–IV, der 1979 bei Weltrekordfahrten in Nardò mehr als 400 km/h erreicht. Um die Aerodynamik des 280 GE zu optimieren, ist Faul pragmatisch. Er besorgt sich Abwasserrohre aus Kunststoff mit 70 Millimetern Durchmesser und befestigt Segemente aus diesem Material rund um die Windschutzscheibe.Damit verbessert sich der Strömungsverlauf in diesem Bereich deutlich. Am Heck montiert er Verlängerungen des Dachs und der hinteren Seitenwände, die im Werk den Spitznamen „Buswartehäuschen“ bekommen. Mit diesen Maßnahmen sinkt der cW-Wert von ursprünglich 0,52 auf 0,41 und die Höchstgeschwindigkeit steigt um gut 20 km/h auf nahezu 200 km/h. Dabei sinkt der Verbrauch um fünf Liter je 100 Kilometer.

Bei der Rallye Paris–Dakar 1983 nehmen 193 Autos, Buggys und Lastwagen sowie 111 Motorräder die 12.000 Kilometer von Frankreich über Algerien, Niger, Burkina Faso, Elfenbeinküste, Mali und Mauretanien bis in den Senegal unter die Räder. Jacky Ickx und Claude Brasseur, übernehmen mit dem 280 GE früh die Führung. Vor dem Etappenziel in Agadez (Niger) stellt Ickx an seinem Motor einen starken Leistungsverlust fest und erhält das Triebwerk eines Teamkollegen. 

Lediglich 61 Autos und Lastwagen sowie 28 Motorräder erreichen das Ziel. Ickx und Brasseur erreichen als Sieger den Strand von Dakar. Auf den Rängen fünf, sechs und acht erreichen weitere G-Modelle von Mercedes-Benz das Ziel.

Rallye Paris–Dakar, 1. bis 20. Januar 1983: Detailaufnahme des Laderaums.

Fotos: Mercedes-Benz/Text: Rainer Roßbach