Fiat Dino (1966 – 1972)

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1966 steht Fiats Dino auf dem Turiner Automobilsalon. Die Norditaliener hätten nicht unbedingt einen großen Sportwagen gebraucht – man hat ja mit dem 124 Spider ein überaus attraktives Angebot im Portfolio. Aber Italiens Vorzeigerennstall Ferrari braucht Hilfe. Die Modeneser wollen an der attraktiven Formel-2-Meisterschaft teilnehmen und benötigen dafür einen potenten Motor, der mindestens 500 Mal im Jahr verkauft wird. Und hier ist das Problem: Ferrari kann diese Stückzahl nicht stemmen, Fiat aber ohne Probleme. Der italienische Autogigant hält seit kurzem 50 Prozent der Anteile an der Marke mit dem springenden Pferd und zeigt sich offen für das Ansinnen.

Glücklicherweise gibt es bei Ferrari eine Vittorio-Jano-Konstruktion, die als Basis herhalten kann. Diese kommt zwischen 1957 und 1961 mit Hubräumen zwischen 1,5- und 3,2-Litern unter anderem in der Formel 1 und in der Sportwagenweltmeisterschaft zum Einsatz. Fiats Chefentwickler Aurelio Lampredi kommt die Aufgabe zu, dem V6-Triebwerk den Spagat zwischen Renneinsatz und Straßenverkehr beizubringen. Denn – rennwagentypisch – ist der Motor komplex. Block und Zylinderkopf bestehen aus Aluminium – Ölwanne, Ventildeckel und Ölpumpengehäuse sind aus Magnesium gefertigt. Die vierfach gelagerte Kurbelwelle, die Pleuel sowie die nass eingesetzten Kolben sind geschmiedet. Auch die von Magneti Marelli entwickelte Transistorzündung vom Typ Dinoplex C stammt aus dem Rennbetrieb.

Lampredi verstärkt das Zweiliter-Aggregat in seiner Struktur, um eine Haltbarkeit über die Länge eines Formel-2-Rennens hinaus zu garantieren. Der Zylinderwinkel von 65 Grad bleibt unverändert und drei Weber-Doppelvergasern übernehmen die Gemischaufbereitung. Pro Zylinderbank betätigen zwei über Ketten angetriebene Nockenwellen die zwei Ventile pro Zylinder. Zusammen mit dem ultrakurzen Hub von nur 57 Millimeter sind so Kurbelwellendrehzahlen bis zu 8.000 kein Problem, die Nennleistung von 160 PS liegt bei 7.200 Touren an. Das ist für einen Serienmotor jener Tage ein beeindruckender Wert.

Beim Chassis hingegen kommt technisch Bewährtes zum Einsatz. Die starre Hinterachse ähnelt der des Fiat 2300 Coupé, hat aber zwei Stoßdämpfer pro Rad. Auch das Getriebe basiert auf dem des Fiat 2300 Coupé, wird allerdings um einen fünften Gang erweitert.

Sowohl ein Cabrio wie auch ein Coupé werden gebaut. Der 1.150 Kilogramm leichte Spider aus der Feder von Pininfarina erreicht für die Zeit beeindruckende 210 km/h. Ein serienmäßiges Sperrdifferenzial, die verwindungssteife Karosserie und die Bremsanlage mit Scheiben an allen vier Electron-Rädern bieten sportliche Fahreigenschaften. Diese gehen aber nicht zulasten des Komforts: Fahrer und Beifahrer haben viel Platz und der Raum hinter den beiden Vordersitzen dient als zusätzliche Gepäckablage. Das aufwändig gefertigte Verdeck, das sich auch bei Geschwindigkeiten jenseits von 150 km/h nicht verformt und Regen sehr gut abhält, lässt sich mit einer Hand öffnen oder schließen. Bertones Coupé dagegen spielt die Rolle des klassischen Gran Turismo. Das Konzept ist erfolgreich: zwischen 1966 und Dezember 1968 werden alleine vom Spider 1.133 Exemplare gefertigt.

Im Herbst 1969, wiederum auf dem Turiner Automobilsalon, präsentiert Fiat die zweite Baureihe von Fiat Dino Spider und Coupé. Während die Karosserie beim Spider bis auf Kleinigkeiten wie dem geänderten Kühlergrill weitgehend unverändert bleibt, wird die Technik komplett überarbeitet. Der Motorblock besteht nun aus herkömmlichem Grauguß, der Hubraum steigt auf 2,4 Liter und die Leistung auf 180 PS bei 6.600 Touren. Als Zündung kommt die „zivilere“ Variante AEC 103 der Dinoplex-Motorelektronik zum Einsatz. Die Fertigung erfolgt nun bei Ferrari, wo das Aggregat mit 194 PS Leistung auch im Dino 246 GT eingebaut wird. Die starre Hinterachse wird ersetzt durch die Einzelradaufhängung mit Schraubenfedern und einfachen Stoßdämpfern aus dem Fiat 130, und statt auf 13-Zoll-Felgen rollt der Dino Spider jetzt auf Leichtmetallrädern mit 14 Zoll Durchmesser. Das Getriebe kommt nun vom deutschen Spezialisten ZF .
Der überarbeitete Fiat Dino Spider ist viel alltagstauglicher, einfacher zu warten und leistungsfähiger als sein Vorgänger. Dennoch kann die zweite Serie nicht an den Erfolg der ersten Baureihe anschließen. Deshalb wird die Produktion nach 424 gebauten Exemplaren 1972 eingestellt.

Fotos: Fiat/Text: Rainer Roßbach