Benz RH 2-l-Tropfenform-Rennwagen (1922)

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Benz RH 2-l-Tropfenform-Rennwagen beim Großen Preis von Europa in Monza am 9. September 1923. Am Steuer Ferdinando Minoia, der später Platz 4 belegt.

Die Geschichte des innovativen Rennwagens beginnt auf der Deutschen Automobil-Ausstellung 1921 in Berlin. Dort entdeckt Dr. Hans Nibel, Entwicklungsvorstand von Benz & Cie., und Konstrukteur Max Wagner der „Tropfenwagen“ von Edmund Rumpler. Mit Mittelmotor und einer im Windkanal aerodynamisch optimierten Karosserie in Tropfenform ist dieser Personenwagen technisch wegweisend. Nibel und Wagner erkennen das Potenzial, Benz schließt einen Lizenzvertrag mit Rumpler und erhält einen offenen Tropfenwagen einschließlich dazugehörender Zeichnungssätze. Das Unternehmen entwickelt die Konstruktion weiter. 1922 entstehen vier Tropfenform-Rennwagen, die mit einem weitern Novum aufwarten: Hinten führt eine Zweigelenk-Pendelachse die Räder.

Als Antrieb dient ein von Dr. Arthur Berger entwickelter, 90 PS starker Reihensechszylindermotor mit 1.997 Kubikzentimetern Hubraum und zwei oben liegenden Nockenwellen. Seine Konstruktion entspricht der des Benz Kaiserpreis-Flugmotors von 1912. Fortschrittlich sind auch zwei Zenith-Horizontalvergaser sowie eine siebenfach rollengelagerte Kurbelwelle. Längs- und Querträger des Rahmens, Pedale, Lenkradspeichen, Schalthebel und Vorderachse erhalten zahlreiche Erleichterungsbohrungen. Nach der Fusion von Benz & Cie. mit der DMG zur Daimler-Benz AG mit der Marke Mercedes-Benz im Jahr 1926 ist dieses Merkmal konsequenten Leichtbaus unter anderem beim Kompressorsportwagen SSKL zu finden.

Großer Preis von Europa in Monza am 9. September 1923.

Der Benz-Mittelmotor-Rennwagen unterscheidet sich von außen neben seiner Stromlinienform und der Motorplatzierung von traditionellen Fahrzeugentwürfen unter anderem durch den Kühler. Dieser ist gebogen und sitzt hinter dem Cockpit auf der Karosserie. Obenauf thront wie eine Skulptur der Schnelligkeit ein tropfenförmiges Sammelgefäß. Für den ersten Einsatz beim Großen Preis von Europa am 9. September 1923 in Monza erhalten die Fahrzeuge rechts vom Cockpit noch einen kleineren Zusatzkühler.

Nach der Premiere im Großen Preis von Europa 1923 in Monza starten die Benz Tropfenform-Rennwagen im Folgejahr bei weiteren Wettbewerben. Siege erringen die innovativen Fahrzeuge nicht. Benz fehlt die Finanzkraft für die Weiterentwicklung des wegweisenden Tropfenform-Rennwagens mit Kompressormotor. Und bleibt doch dran: Ende 1924 kreiert das Unternehmen einen Sportwagen, der keine spezielle Bezeichnung trägt. Er hat eine deutlich andere Karosserie. Unter anderem integrieren die Konstrukteure zwei Scheinwerfer, verlagern den Tank von der Front ins Heck und ergänzen Spritzschutzelemente. Erfolgreiche Fahrer damit sind der Werksrennfahrer Willy Walb sowie die Privatfahrer Adolf Rosenberger und Carl Hermann Tilger.

Benz RH 2-l-Tropfenform-Rennwagen. Studioaufnahme des Chassis von oben.

Nach der Fusion von Benz & Cie. und der Daimler-Motoren-Gesellschaft im Jahr 1926 zur Daimler- Benz AG setzt Chefingenieur Ferdinand Porsche dort die Arbeit an den Tropfenform-Rennwagen nicht weiter. Allerdings verfolgt er nach seinem Ausscheiden im Jahr 1928 ähnliche Konzepte bei der Auto Union. Deren Mittelmotorrennwagen mit Sechzehnzylindermotor sind die schärfsten Konkurrenten der Silberpfeile von Mercedes-Benz ab 1934. Mercedes-Benz Rennfahrer Rudolf Caracciola gewinnt 1935, 1937 und 1938 den Europameistertitel, vom internationalen Rang her vergleichbar mit den Weltmeisterschaftstiteln der späteren Formel 1. Sein Teamkollege Hermann Lang wird 1939 Europameister. Einzig 1936 geht die Meisterschaft an Auto-Union-Fahrer Bernd Rosemeyer. 1934 wird der Europameistertitel noch nicht vergeben. In der Formel 1 hält das Prinzip der Mittelmotorrennwagen Ende der 1950er-Jahre Einzug.

Benz RH 2-l-Tropfenform-Rennwagen in der Sportwagenausführung von 1924, am Steuer Benz-Werksfahrer Willy Walb.

Fotos: Mercedes-Benz/Text: Mercedes-Benz, Rainer Roßbach