Alfa Romeo Giulia Sprint GTA

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Die europäische Tourenwagen-Challenge der 1960er Jahre und ab 1970 die Tourenwagen-Europameisterschaft sind bei den Fans ausgesprochen populär. Die Langstreckenrennen auf dem Nürburgring, in Monza, Brands Hatch oder Zandvoort locken Zehntausende Besucher an. Auch Bergrennen wie zum Beispiel am Timmelsjoch zählen anfangs zur Wertung.  Schon Anfang der 1960er Jahre ist Alfa mit der 150 PS starken Giulia TI Super in der Klasse bis 1.600 Kubikzentimeter Hubraum sehr erfolgreich, aber das Ford-Werksteam hält mit dem Lotus Cortina dagegen, der satte 100 Kilogramm leichter ist als der Italiener, und der damit zum Dauersieger avanciert. Autodelta, die Motorsportabteilung von Alfa Romeo, ist gefordert. Ende 1963 präsentieren die Mailänder einen neuen Rennwagen, der auf dem Coupé „Sprint GT“ basiert.

Um das Gewicht zu senken, haben die Ingenieure tief in die Karosseriestruktur eingegriffen. Die komplette Außenhaut wird aus nur 1,2 Millimeter dünnem Peraluman gefertigt, einer sehr leichten Aluminium-Magnesium-Zink-Mangan-Legierung. Türen und Motorhaube sowie alle nicht tragenden Teile der Karosserie (innere Abschlussbleche, Windlaufblech, Reserveradwanne) sind aus Aluminium. Nur Bodenblech und Dachsäulen bestehen noch aus Stahlblech. Hintere und seitliche Scheiben sind aus Plexiglas.

Der 1,6-Liter-Motor stammt aus dem Entwicklungsprogramm für den Alfa Romeo TZ2. Sein Block besteht aus Aluminium, während Ölwanne, Motorstirnwanddeckel, Ventildeckel, Getriebeglocke und hinterer Getriebedeckel aus der Magnesium-Legierung Elektron gegossen werden. Bestückt mit Doppelzündung und zwei 45er Weber-Doppelvergasern leistet er 115 PS.

Der „GTA“ (“A” steht für „alleggerita”, zu Deutsch „erleichtert“) bringt am Ende nur noch 745 Kilogramm auf die Waage.

Für die Homologation stellt Alfa eine Straßenversion auf die Räder, die 1965 auf dem Autosalon in Amsterdam als Giulia Sprint 1600 GTA debütiert. Optisch ist der GTA durch die zusätzlichen Lufteinlässe in der Front, die Türgriffe in Form leichter Aluminiumschlaufen, Magnesium-Felgen von Campagnolo, die Nieten der Karosseriebefestigung, Sportlenkrad sowie Aufkleber mit dem Quadrifoglio Verde zu erkennen. Als Farben gibt es nur „Rosso Alfa“ und „Biancospino“, die komplette Innenausstattung einschließlich der vorderen Schalensitze ist in grauem Kunstleder gehalten. In Deutschland kostet der domestizierte Renntourenwagen 21.500 Mark, etwa so viel wie ein Porsche 911.

Für den Einsatz auf der Rennstrecke bietet Autodelta solventen Kunden die nochmals weiter modifizierte Corsa-Variante an. Diese kommt dann ab Werk mit 90-Liter-Tank, Ölkühler, Überrollbügel, Sperr-differenzial von ZF, Stabilisator auch an der Hinterachse sowie einem länger übersetzten fünften Gang.
Zusätzlich angebotene Tuningteile wie beispielsweise spezielle Vorderradaufhängungen, die in ihrer Führung modifizierte Gleitstein-Hinterachse oder unterschiedliche Getriebe- und Achsüber-setzungen steigern die Wettbewerbsfähigkeit. Dafür wird an der Innenausstattung gespart – bei manchen Exemplaren besteht die Armaturentafel aus einer Art Pappe, die mit Dekorfolie beklebt ist.

Für die Werksautos gibt es noch weitere Verbesserungen wie etwa Bodenbleche aus Peraluman, die das Gewicht unter 700 Kilogramm drücken. Auch ist die Batterie im Kofferraum installiert, um die Gewichtsverteilung zu verbessern.

Die Motorleistung der Corsa-Variante liegt durch die Verwendung anderer Kolben, eines Stahl-Fächerkrümmers mit größerem Querschnitt, schärferer Nockenwellen und eines Staudruckkastens über den Ansaugtrichtern bei rund 170 PS, der Rennauspuff tritt seitlich unter der Fahrertür aus.
So aufgerüstet, wird der Alfa Romeo Giulia Sprint 1600 GTA das dominierenden Fahrzeug in der 1,6-Liter-Klasse. 1966 und 1967 wird der Werksfahrer Andrea de Adamich Europameister, 1969 kann Spartaco Dini das Championat gewinnen. Außerdem feiern GTAs unzählige Siege bei nationalen Meisterschaften. So wird Herbert Schultze 1968 und 1969 Deutscher Rundstreckenmeister und Ignazio Giunti wird 1967 Berg-Europameister in der Tourenwagen-Kategorie.

Ab 1968 sind in der Europameisterschaft so genannte Gruppe-5-Fahrzeuge zugelassen, die technisch sehr stark gegenüber der Serie verändert werden dürfen. Die neuen Gegner heißen nun Porsche 911, BMW 2002 oder Ford Escort TwinCam.

Um die Konkurrenzfähigkeit zu erhalten, experimentiert man bei Autodelta ab Mitte 1967 mit einer aufgeladenen Variante des 1600er Motors, der den Zusatz “SA” für „sovralimentata” erhält. Der technische Aufwand ist bemerkenswert. Zwei Ventilatoren, die aus der Klimaanlage eines Flugzeugs stammen, werden an beiden Enden des Luftsammlers eingebaut. Der Antrieb erfolgt mittels Ölkreislauf. Die notwendige Pumpe wird über eine Kette vom Motor angetrieben. Auf diese Weise wird ein Überdruck im Luftsammler erzeugt, der ähnliche Auswirkungen wie ein Turbolader hat. Zusätzlich wird eine Wassereinspritzung ausprobiert. Die Leistung steigt so auf über 220 PS. Siegfried Dau gewinnt mit einem GTA SA das 100-Meilen-Rennen 1967 auf dem Hockenheimring, doch das Projekt wird schließlich zu Gunsten des leistungsstärkeren GTAm 1750 aufgegeben.

Dessen Bezeichnung „GTAm“ weist auf den erweiterten Hubraum hin (auf Italienisch „maggiorata”), der von der US-Variante „Sprint 1750 GT Veloce“ kommt, die zudem von einer Spica-Einspritzanlage mit Sprit versorgt wird.

Die Homologation für die Gruppe 2 mit dem 1750er-Motor erfolgt zum 1. Oktober 1969, aber schon 1970 rüstet Alfa Romeo nach: mit einem Zylinderkopf mit größeren Ventilen und zwei Zündkerzen pro Brennraum, Lucas-Einspritzanlage, dicken Kotflügelverbreiterungen und einer Motorhaube aus Kunststoff sowie einem Kofferraumdeckel aus Aluminium. Außerdem wird der Hubraum durch Vergrößerung der Bohrung auf knapp zwei Liter erweitert. Das macht in der Summe 240 PS, und die neun Zoll breiten Räder stammen vom Sportprototypen Alfa Romeo Tipo 33.

Toine Hezemans aus den Niederlande wird mit Siegen in Monza (Italien), Budapest (Ungarn), Brünn (Tschechoslowakei) und Jarama (Spanien) Europameister. Andrea de Adamich und Gian Luigi Picchi gewinnen außerdem das Sechs-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring. In der Markenwertung muss sich Alfa Romeo knapp BMW geschlagen gegeben, aber 1971 geht der Titel dann an Autodelta. Der 1750 GTAm heißt mittlerweile 2000 GTAm und dieser läßt in der Markenwertung Ford und BMW hinter sich.
Alfa Romeo tut aber auch etwas für die Privatfahrer in der 1,3-Liter-Kategorie. Speziell für diese Klientel entsteht der 1300 GTA. Auch dieser Junior hat eine auf das Stahlblechskelett genietete Leichtmetallkarosserie, allerdings mit größeren hinteren Radausschnitten. Insgesamt wird der extrem teure Leichtbau beim Serienmodell nicht ganz so extensiv angewandt wie beim 1600 GTA.
So verzichtet man beispielsweise auf die Plexiglasfenster und die Magnesiumfelgen. Die zuvor aus Elektron gefertigten Motorkomponenten werden nun aus Aluminium hergestellt. Dafür ist das Sperrdifferenzial beim 1300 GTA Junior serienmäßig. Die Innenausstattung ist mit schwarzem Kunstleder bezogen, die vorderen Sitze ähneln denen des Alfa Romeo Giulia Sprint 1750 GT Veloce.
Am Motor ändert sich die Bohrung – durch die Verkleinerung von 82 auf 67,5 Millimeter ergibt sich ein Hubraum von 1.290 Kubikzentimetern. Doppelzündung und die beiden 45er Doppelvergaser werden übernommen.

So stehen serienmäßig 96 PS zur Verfügung. Autodelta liefert den Vierzylinder in Corsa-Variante mit bis zu 160 PS aus. Die Ölwanne ist im Vergleich zum 1600er Motor vergrößert, nun müssen 9,7 statt zuvor sechs Liter Schmierstoff sorgsam warm gefahren werden. Alternativ zu den Vergasern wird auch eine Spica-Einspritzanlage homo-logiert. Sie bringt zwar nur fünf PS Leistungszuwachs, gleichzeitig bessert sich aber das Ansprechverhalten besonders bei niedrigen Drehzahlen deutlich.

Ab Sommer 1968 wird der GTA Junior zur Messlatte in der 1300er Klasse.

1969 gewinnt Enrico Pinto (Italien) den Tourenwagen-Europapokal in dieser Hubraumkategorie, 1970 ist Carlo Truci (Italien) der Champion. Karl Wendlinger Senior holt sich den Titel in der österreichischen Tourenwagen-Meisterschaft.

Am 1. Januar 1970 homologiert Alfa Romeo für den GTA Junior Karrosserieteile nach, die den Kleinen auf GTAm-Format mutieren lassen. Nun sind Kotflügelverbreiterungen zulässig, unter die bis zu neun Zoll breite Felgen passen. Die Ver-breiterungen sind ebenso aus Kunststoff hergestellt wie ab diesem Datum auch Hauben, Türen und Armaturenträger. Außerdem werden unterschiedliche Zylinderköpfe angemeldet, 1974 sogar einer mit vier Ventilen pro Brennraum.

Derart aufgerüstet bleibt der GTA Junior ein siegfähiges Auto in der 1300er Division, sei es auf der Rundstrecke, am Berg oder bei Rallyes. 1972 verhilft er Alfa Romeo sogar zu einem weiteren Europameister-Titel wiederum vor Ford und BMW – mit neun Divisionssiegen in neun Rennen.

Fotos: Alfa Romeo/Text: Rainer Roßbach